nr. 1014

Grunddaten

Adressat Freiligrath, Klara Wilhelmine
Dokumenten-TypBrief
Brief-Nummer1014
Schreibdatum1848-8-12
SchreibortDüsseldorf
Datumsstempel1848-8-13
OrtsstempelLondon
Empfangsdatum1848-8-14
EmpfangsortSoest
Incipit
Düsseldorf, 12. Aug. 1848. Liebe, gute Mutter! Dein Brief von vorgestern hat mich schmerzlich bewegt.
StandortWeimar
Institution Goethe- und Schiller-Archiv
DruckeGoldammer (1973), S. 29-37

Art- und Formuntersatz

DokumentformO-Hs.
Vollständigkeitvollst.
ÜberlieferungsformHs.; Edition
BestandFerdinand Freiligrath
Signatur17/V, 4a, 2

Zeugenbeschreibung

Umfang3 Bl., gef., 12 Sn. beschr. mit brauner Tinte; Briefumschlag mit Adresse, 2 Poststempeln u. Siegel
Größe21,1 x 26,8
Papiersortegrau, fein-glatt-pergamenten; S. 1, 5 u. 9 oben links mit Papierprägezeichen: viereckig, verziert mit Inschrift: BATH
Erhaltunggut

Regest

Klage F. F.'s gegenüber der Mutter, daß sie ein geplantes Wiedersehen F. F.'s mit seinen Geschwistern auf Grund von politischen Meinungsverschiedenheiten und der Befürchtung einer diesbezüglichen negativen Einflußnahme auf die Geschwister nach der Veröffentlichung von F. F's Gedicht 'Die Todten an die Lebenden' nicht zulassen will. Klage auch darüber, daß F. F.'s Streben, das nicht das der Mutter ist, von ihr immer schon argwöhnisch betrachtet und nicht anerkannt wurde. Versuch der Rechtfertigung und Erklärung seines Gedichts, um die Mutter eventuell von ihrem fanatischen Verdammungsurteil darüber und damit auch über ihn abzubringen. Jetzt schon, nach nur vier Monaten der Revolution ist das Volk von den Fürsten und durch den Verrat in den Nationalversammlungen um die Errungenschaften der Märzrevolution gebracht worden. Ein gesellschaftlicher Rückschritt ist also im Gange, der aber unweigerlich in einer zweiten und dann endgültig zum Siege führenden Volksehebung münden wird, die in ganz Europa zur Errichtung einer neuen demokratischen und sozialen Ordnung führt. Diese historische Notwendigkeit eines gewaltsamen Umsturzes muß als ein Akt der Humanität befördert und beschleunigt werden, damit der Gegner nicht wieder zu stark wird und sich dadurch die Opfer des Kampfes nur noch erhöhen. Diesem Gedankenzusammenhang dient F. F.'s Gedicht 'Die Todten an die Lebenden', in dem nur die historische Wahrheit poetisch ausgesprochen wird. F. F. ruft nicht zu Gewalt, Mord und Blutvergießen auf, sondern dies sind historische Tatsachen, die einzig und allein die Herrschenden durch ihre hartnäckige Weigerung zu verantworten haben, dem Volk seine Rechte zu gewären und es statt dessen immer weiter zu unterdrücken, bis es sich endlich wehrt. Das Volk kämpft nur den Kampf der Verzweiflung und der Notwehr. Die Blutschuld liegt bei den Herrschenden, wie die letzten skrupellosen militärischen Aktionen beweisen. Die Fürsten machen die Revolution, nicht das Volk oder seine Vertreter wie F. F. Zurückweisung des Vorwurfs der Mutter als völlig haltlos, F. F. handele als ein von krankhaftem Ehrgeiz Getriebener. F. F. bleibt nur seiner Überzeugung und Gesinnung treu, was er bis jetzt in seinem Leben auch schon teuer bezahlen mußte. Die Zweifel der Mutter an der Aufrichtigkeit der Reue F. F.'s in bezug auf sein Verhältnis zu Karoline Schwollmann werden als ungerechtfertigte Anschuldigung abgewiesen. Bitte um Überdenken des Entschlusses von Wilhelmine Freiligrath, das Wiedersehen F. F.'s mit seinen Geschwistern zu verweigern.