nr. 335

Grunddaten

Adressat Diefenbach, Lorenz
Dokumenten-TypBrief
Brief-Nummer335
Schreibdatum1845-1-31
SchreibortBrüssel
Empfangsort[Groß Steinheim b. Hanau]
Incipit
Brüssel (Rue du Pacheco No. 35.) 31. Januar 1845. Prost Neujahr, lieber Diefenbach! -
StandortGießen
Institution Universitätsbibliothek
DruckeBuchner II, S. 139f.

Art- und Formuntersatz

DokumentformO-Hs.
VollständigkeitHs.: vollst.; Druck: unvollst. (Adresse nach Ortsangabe fehlt; Abs. 2, 4.-8. Satz fehlen; Abs. 3 fehlt; Abs. 4, 3. Satz, Teilsatz in Klammern fehlt; 5. Satz, Teilsatz in Klammern fehlt; Briefschluß: Abs. 5-7 u. Schlußformel fehlen)
ÜberlieferungsformHs.; Edition
BestandNachlaß Diefenbach
SignaturBriefe 2

Zeugenbeschreibung

Umfang1 Bl., gef., 4 Sn. beschr. mit brauner Tinte
Größe13,2 x 20,3
Papiersorteweiß-cremefarben (beige); fein-glatt-pergamenten; S. 1 oben rechts quer Papierprägezeichen: achteckig, mit Krone u. Inschrift: BATH
Erhaltunggut

Regest

Zurückgezogenes Leben der Freiligraths in Brüssel. Durch den neuen Lyrikband 'Ein Glaubensbekenntniß' ist F. F. endlich mit sich ins Reine gekommen, in eine unzweideutige Position der politischen Mitte. F. F. hält alles, was mit dem Buch zusammenhängt nun für abgeschlossen, und er kümmert sich auch nicht mehr um die laute Kritik von rechts und links daran. F. F. freut sich aber auch darüber, daß sich manche reine und unbefangene Stimme, wie die von Lorenz Diefenbach in diesem Zusemmenhang auch zu seinen Gunsten geäußert hat. F. F. hat den Beitrag Diefenbachs im 'Telegraph für Deutschland' selbst leider noch nicht lesen können, ist sich aber sicher, daß Diefenbachs Kritik nur die wirklichen poetischen Schwächen berührt. F. F. weist Diefenbach auf die New Yorker 'Deutsche Schnellpost' hin, die in ihren Dezembernummern die wohl verständigste und beste Kritik zu seinem 'Glaubensbekenntniß' gebracht hat. Dies lieferte F. F. wieder einmal den Beweis dafür, wie offen, frei und männlich auch die Presse in Deutschland sein könnte, wenn sie nicht durch den 'Druck von oben' total demoralisiert würde und nicht jedes freie Wort im Ausland Zuflucht suchen müßte. Auch in der französischen und der englischen Presse, so der 'Revue de Paris', dem 'Athenaeum' und dem 'Atlas' hat man sich anerkennend über F. F.'s Buch geäußert, wenn auch die dort mitgelieferten Übersetzungen zum Teil mit eklatanten Fehlern behaftet sind. Nur die Pariser 'Revue des deux mondes' hat eien Artikel von Daniel Stern, der Gräfin Sophie von d'Agoult, abgedruckt, die das 'Glaubensbekenntniß' als unbedeutendes Buch abstempelt, was aber auf die Einflußnahme Georg Herweghs zurückzuführen sein könnte. F. F. hält dies aber eigentlich für zu kleinlich, als daß er Herwegh eine solche Inszenierung wirklich zutrauen würde. Er will einfach nicht glauben, daß Herwegh meinte, F. F. habe sich ein Monopol auf politische Poesie sichern wollen. F. F. plant eine Übersiedlung nach dem Elsaß oder der Schweiz, da man sich im kalt industriellen Belgien mit seinem dickköpfigen Katholizismus, dem jetzt sogar hier die in Deutschland zu unrecht gefeierte flamische Bewegung huldigt, und der Nachäfferei des Franzosentums überhaupt nicht wohl fühlt und das Leben außerdem hier viel zu teuer ist. F. F. will wieder in einem eigenen Häuschen auf dem Land leben. Nach Preußen kann und will er vorerst nicht zurück, da er dort noch immer wegen seines Buchverbots mit Verfolgung rechnen muß. Die jüngst von der 'Augsburger Allgemeinen Zeitung' gestreute Nachricht, F. F. sei in Elberfeld gewesen, ist nichts weiter als ein Gerücht. F. F. möchte Tips für eine Ansiedlung in der Schweiz von Diefenbach vor allem bezüglich der Lebenshaltungskosten. F. F. wünschte sich, Diefenbach würde mit ihm in die Schweiz gehen. Grüße an Richard Willis, falls dieser sich noch in Frankfurt/M. aufhalten sollte. Da F. F.'s Bekanntenkreis hier in Brüssel ein sehr begrenzter ist, kennt er auch den nachgefragten Mr. van Thienen nicht.