nr. 1639

Grunddaten

Adressat Longfellow, Henry Wadsworth
Dokumenten-TypBrief
Brief-Nummer1639
Schreibdatum1851-6-19
SchreibortLondon
EmpfangsortCambridge (Massachusetts/USA)
Incipit
London, 19th June 1851. Dear Longfellow, It is long time since I wrote you last.
StandortCambridge (USA)
Institution Houghton Library
DruckeHatfield (1933), S. 1269-1273

Art- und Formuntersatz

DokumentformO-Hs.
Vollständigkeitvollst.
ÜberlieferungsformHs.; Edition
BestandFreiligrath, Ferdinand, Letters
SignaturMS Am 1340II (2104)

Zeugenbeschreibung

Umfang3 Sn., gef., 12 Sn., 10 Sn. beschr. mit Tinte; S. 12 mit Adresse, 2 Poststempeln u. Siegelresten
Erhaltunggut; S. 11/12 am äußeren Rand Mitte, dreieckiger Papierausschnitt

Regest

Dank für die durch Henry Wadsworth Longfellow vermittelte persönliche Bekanntschaft mit dem sich auf einer Deutschlandreise befindlichen dichtenden Indianer Copway in Köln und Düsseldorf, der sogar die Patenschaft für F. F.'s jüngsten Sohn, Otto Freiligrath, übernommen hat. F. F. wertet das als Zeichen der Bruderschaft aller Völker und für eine zukünftige Zeit des Friedens und Glücks nach den gegenwärtigen Kämpfen. F. F. hat Copway für Longfellow F. F.'s letzte Publikationen 'Neuere politische und sociale Gedichte' (1. Heft), 'Zwischen den Garben', seine Übersetzung von William Shakespeares 'Venus und Adonis' und ein Musikbuch mit der Vertonung eines von F. F.'s Frau übersetzten Longfellow-Gedichts ('The rainy day') mitgegeben. Inzwischen sind in Deutschland auch zwei Übersetzungen von Copways Gedicht 'The Ojibway Conquest' bekannt geworden. F. F.'s Grund zu seiner erneuten Ausreise nach London liegt in der jetzigen politischen Situation in Deutschland und der damit zusammenhängenden Niederlage der Partei, obwohl F. F. mehr als zehn Monate und letztendlich erfolgreich um das preußische Staatsbürgerschaftsrecht und sein Wohnrecht in Düsseldorf mit rechtlichen Mitteln gekämpft hat. Da die preußische Regierung aber andere Meinungen kaum noch zuläßt, mußte F. F. immer wieder erhebliche Schwierigkeiten überwinden. Wenn diese Angriffe auch nicht immer gegen ihn selbst gerichtet gewesen seien, so hätte er es dort doch nicht länger ausgehalten. Außerdem gäbe es keinerlei Pressefreiheit mehr in Deutschland, so daß F. F. bei der Veröffentlichung seiner neueren Gedichte immer wieder von Verhaftung bedroht war, was eine unhaltbare Situation für jemanden darstelle, der von dem Ertrag seiner Feder leben muß. So hat sich F. F. entschlossen, erst einmal seine Familie zu verlassen, um nach einer neuen Möglichkeit einer Existenz in England oder Amerika Ausschau zu halten. So ist F. F. nun wieder hier in London, ohne bisher aber als ein mitlerweile Einundvierzigjähriger Erfolg bei der Stellungssuche gehabt zu haben. Bevor er aber seine Aufmerksamkeit nach Amerika richtet, will er sich erst mit Longfellow gründlich über seine Chancen dort austauschen. Bis zum nächsten Frühjahr hat F. F. seine Familie noch absichern können, spätestens dann aber muß eine Lösung gefunden sein. F. F. zeigt sich auch bereit, für einige Monate nach Amerika zu kommen und fragt, ob Longfellow wie noch 1848 eine Anstellung am besten in einer Bibliothek für ihn noch für möglich hält. Für die andere Variante, der eines Collegelehrers, hält sich F. F. hingegen nur noch wenig geeignet. Vorerst will F. F. aber noch mindestens fünf bis sechs Wochen hier in London bleiben und dann nach Longfellows Ratschlag etscheiden, wenn es noch nötig sein wird. F. F. will Longfellows Meinung hören, ob er eine Auswahlausgabe von F. F.'s Dichtungen in Englisch für den amerikanischen Markt für aussichtsreich hält und fragt, ob Longfellow ihn bei der Realisierung eines solchen Projekts unterstützen würde. Die jetztige Trennung von seiner Familie, die den Winter wahrscheinlich bei Ida Freiligraths Familie in Weimar verbringen wird, fällt F. F. sehr schwer. Lob für Ida als seinen besten Freund, eine liebe Ehefrau und gute Mutter. Ihre wöchentlichen Briefe aus Düsseldorf sind seine größte Freude hier. Im letzten Jahr hatte F. F. häufige Begegnungen mit Longfellows Freund George H. Calvert, dem Malerpoeten Thomas B. Read, der ein Portrait von F. F. anfertigte und dem Nachbarn Longfellows, Mr. Leupold. F. F. bestätigt Longfellow, daß hier in England Longfellows Popularität durch die Ausgabe seiner Werke und durch Veröffentlichungen in vielen Anthologien ständig wächst. F. F. ist froh, daß auch er mit seinen Übersetzungen der Gedichte des Freundes, von denen einige auch in deutsche Anthologien übernommen worden sind, etwas für Longfellow tun konnte. Louise Gall-Schücking lebt jetzt mit ihrem Mann und drei Kindern in Köln. Durch die politischen Wirrnisse haben sich F. F.'s Beziehungen zu ihr aber stark abgekühlt. Karl Simrock, der ganz konservativ geworden ist, hat den Kontakt zu F. F. seit 1848 gänzlich abgebrochen. Karl Heuberger ist noch immer in St. Goar und hat F. F. letztes Weihnachten mit einem freundlichen Brief überrascht. Karl Schlickum ist zur Vorbereitung der Übersiedlung seiner Familie nach Amerika bereits nach Michigan abgereist.

Bemerkungen

Brief in englischer Sprache; Aufnahme nach Filmkopie der O-Hs.